Seit dem Schuljahr 2013/14 führt die Volksschule Kriens zwei Familienklassenzimmer an der Primarschule. Das Familienklassenzimmer basiert auf dem Ansatz der Multifamilientherapie. Das Ziel der Multifamilientherapie im schulischen Kontext besteht darin, dass Eltern mit gleichartigen Problemen ihre Ressourcen in der Erziehungsarbeit stärken. Schul- und Familienprobleme sollen gemeinsam angegangen werden. Die Multifamilientherapie arbeitet mit der Erkenntnis, dass Schwierigkeiten keine isolierte Erfahrung einzelner Familien sind und auch andere Menschen davon betroffen sind.
Die Anwesenheit von Familien mit ähnlichen Fragestellungen ist mit der Idee verbunden, dass sich Betroffene gegenseitig helfen.
Die Familienklassenzimmer sind von der Fachhochschule Bern, soziale Arbeit, nach dem ersten Jahr evaluiert worden. Kinder und Eltern des ersten Jahres und die Lehrpersonen wurden beim Eintritt, beim Austritt und sechs Monate nach Beendigung befragt. Die Befragungen wurden durch regelmässige Beobachtungen im Familienklassenzimmer durch die Evaluatoren ergänzt.
Im Familienklassenzimmer steht die Beziehungsgestaltung durch das Erleben gemeinsamer Aktivitäten und das gemeinsame Behandeln der eigenen Themen im Vordergrund. Auf diese Weise können Themen und Ziele der Familien angegangen werden. So sind wahrgenommene Veränderungen denn auch insbesondere bei der Eltern-Kind-Beziehung, der Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus sowie den entwickelten Kompetenzen und gelernten Techniken der Eltern angesiedelt. Die Eltern erleben sich kompetenter und konsequenter im Umgang mit den Kindern und können so mehr Sicherheit vermitteln, was den Kindern Orientierung gibt. Das gemeinsame Markieren von Präsenz (Schule-Eltern) gegenüber den Kindern wird als hilfreich erlebt. Zudem geben die Eltern dem partizipativen Miteinbeziehen der Kinder mehr Bedeutung, die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern wird ruhiger. Weil Eltern und Kinder mehr gemeinsame Aktivitäten planen, wird die Zusammengehörigkeit gestärkt. Die Kinder lernen über ihr Verhalten nachzudenken und zeigen auch eine verbesserte Sozialkompetenz.
Die erwartete Veränderung des Verhaltens der Kinder in der Schule wird weniger eindeutig wahrgenommen. Während bei einigen Kindern eine klare Verhaltensänderung wahrgenommen wird, ist sie bei anderen weniger zu beobachten. Die positiven Veränderungen stehen in engem Zusammenhang mit der Intensität und Qualität der Zusammenarbeit zwischen Familienklassenzimmer - Bezugspersonen der Schule – Eltern. Wird die Zusammenarbeit konstruktiv erlebt, ändert sich die Situation des Kindes in der Schule. Ist sie beeinträchtigt, unterliegt sie beispielsweise falschen Erwartungen oder Druck, ist die erwartete Entwicklung schwierig. Die Schule muss versuchen, die Lehrpersonen besser mit den Grundsätzen, die im Familienklassenzimmer angewendet werden vertraut zu machen. Und die Schule muss weiter an der Haltung nach der neuen Autorität arbeiten.
Die Kriterien für einen Eintritt ins Familienklassenzimmer wurden aus Gründen der Niederschwelligkeit sehr offen gehalten. Es stellt sich die Frage, ob die Kriterien enger gefasst werden müssten. Kinder mit starken Auffälligkeiten bringen die Familienklassenzimmer an Grenzen. Bei den Vorabklärungen ist es wichtig zu prüfen, ob ein anderes Unterstützungsangebot nicht auch zielführend sein könnte.
Die mehrfach belasteten Familien können eher wenig Aufmerksamkeit der Kindererziehung widmen. Darum ist der Orientierungsrahmen im und durch das Familienklassenzimmer zentral. Für die Kinder und Eltern ist das Zielsystem im Familienklassenzimmer wichtig. Die Definition von konkreten Wochenzielen, abgeleitet aus dem übergeordneten Ziel, die tägliche Bewertung und die erlebte Konsequenz anhand einer Belohnung oder eines Verzichts stellt für die Kinder und Eltern ein wichtiger Teil des Orientierungsrahmens dar.
Das Gefühl, im gleichen Boot zu sitzen, hängt von der Gruppenkonstellation ab. Je ähnlicher die Situation und die Fragen der Gruppenmitgliede, desto stärker wird die Teilnahme am Familienklassenzimmer als gemeinsamer Prozess erlebt. Eine gewisse Beständigkeit der Gruppe ist zentral.